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Montgomery, John Leslie (Wes)
Geb. 6.3.1925 Indianapolis
Gest. 15.6.1968 Indianapolis. |
Das Zusammenwirken einer eigenen Technik und einer neuen
gitarristischen Konzeption mit seiner improvisatorischen Kreativität begründen Wes
Montgomerys ungeteilte Anerkennung unter Gitarristenkollegen. John Scofield rechnet ihn zu
den grossen Jazzmusikern und ergänzt: "Von den Gitarristen der Nach-Bebop-Periode
hat er die natürlichste Art zu phrasieren. Wes Montgomery ist Repräsentant der
Jazzgitarre seiner Epoche. "Dieser wichtigste Gitarrist seit Charlie
Christian" (Ralph J. Gleason) setzte den Daumen der rechten Hand wie ein Plektrum
ein und erreichte dabei anatomisch fast unerklärbare Geschwindigkeiten. Larry Coryell
beschreibt seine Fassungslosigkeit, als er Montgomery erstmals spielen sah: "Und Wes'
Finger - besonders sein rechter Daumen. Der Nagel sah nicht aus, als wäre er wirklich
menschlich. Er wirkte wie aus Gold gemacht oder aus Silber, einem edlen Metall; und wenn
er seinen Daumen bewegte, konnte man es nicht sehen. Und wenn er die Oktavtechnik
anwandte, war es, als stünde er dort und grinste dich an." Diese erwähnten Oktaven
sind ein weiteres Merkmal seiner seitdem oft kopierten, in klanglich gleicher
Geschlossenheit und Flüssigkeit aber nie erreichten Stilistik. Montgomery, der sich
erklärterweise auf Charlie Christian, aber auch auf den
Ausnahmetechniker Django Reinhardt als Vorbild bezog, führte
die Melodie neben dem SingleNote-Spiel regelmässig auch in Oktavparallelen oder in
Akkordsätzen. "Seine auffallende Klangwirkung", erklärt dazu Kenny Burrell, "erzielte er in erster Linie durch seinen
Oktaven-Stil. Leider wurde diese seine spezielle Begabung von den Medien verzerrt und
aller Proportionen beraubt; Wes' Oktav-Stil wurde als Aushängeschild benutzt und zu
Verkaufszwecken propagiert." Damit deutet Burrell vor allem auf den von kommerziellen
Produktionen verwässerten Karrierehöhepunkt, der jedoch sein Verdienst, die Stilistik
und Technik der Jazzgitarre entscheidend bereichert zu haben, nicht schmälern kann. Pat
Metheny spricht für eine Vielzahl jüngerer Kollegen, wenn er gesteht: "Melodisch
und rhythmisch war er mein Haupteinfluss." Montgomerys Live-Ausstrahlung muss
gewaltig gewesen sein. Denn wie Quincy Jones betonen auch andere Musiker: "Platten
werden ihm nicht gerecht." Attila Zoller sagt über den Nicht-Primavista-Spieler (ab
Blatt Notel lesen und spielen): "Wenn er einmal etwas gehört hatte, konnte er es
sofort auswendig nachspielen." In einem Interview mit dem 'Melody Maker' gab Wes
Montgomery eine an jüngere Kollegen gerichtete interessante Erklärung seiner Stilistik:
"Der Musiker entwickelt sein Selbstvertrauen, indem er seine Probleme selbst löst.
Macht Euch keine Sorgen über Grenzen. Die Technik und Methode, die mich auszeichnen - mit
meinem Daumen zu spielen und der Gebrauch von Oktaven - sind aus Begrenzungen heraus
geboren worden. Wir alle haben sie, müssen sie akzeptieren und etwas Sinnvolles aus ihnen
heraus aufbauen. Was ich mache, mag technisch nicht richtig sein, aber die Musik kommt
trotzdem richtig heraus. Warum? Weil ich spielen und meine Geschichte erzählen
musste." Wes Montgomery hörte im Alter von 19 Jahren erstmals Platten von Charlie Christian, kaufte sich eine Gitarre und begann, dessen
Soli zu kopieren. Mit seinen Brüdern Monk und Buddy spielte er, tagsüber in einer Fabrik
tätig, abends in Clubs unter dem Namen The Mastersounds. Von 1948 bis 1950 war der
Gitarrist festes Mitglied der Lionel Hampton Band, mit der er auch Platten aufnahm, kehrte
dann aber aus familiären Gründen zurück nach Indianapolis, um wieder in der Fabrik zu
arbeiten und abends mit eigenen Combos aufzutreten. In den Jahren 1957 bis 1959 reiste
Montgomery- gelegentlich nach San Francisco, um mit seinen dort inzwischen erfolgreichen
Brüdern ins Studio zu gehen. Auf Vermittlung Cannonball Adderleys kam 1959 ein
Plattenvertrag mit der Firma Riverside zustande, für die er, zunächst im Trio mit Orgel
und Schlagzeug, 1960 in New York dann seine wichtigste LP, "The Incredible Jazz
Guitar Of W. M." mit Tommy Flanagan (p), Percy Heath (b) und Al Tootie Heath (dr)
aufnahm. Es folgten neben Einspielungen als Gast bei u. a. Cannonball Adderley, den
Mastersounds, George Shearing, Harold Land, Milt Jackson und Jimmy Smith sowie Auftritten
mit John Goltrane weitere eigene Alben wie "So Much Guitar" (1961) und
"Full House" (1962) mit Johnny Griffin (ts) und dem Wynton Kelly-Trio, mit dem
Montgomery auch live arbeitete. Seit 1960 die Polls beherrschend und dabei doch ein kaum
reisender Weltstar, kam der Gitarrist1965 erstmals nach Europa, wo er u. a. in London und
Paris auftrat. Für Verve und A & M nahm Montgomery ab 1965 noch eine Reihe
ungewöhnlich erfolgreicher Popjazz-Hits, oft mit Streicherverpackung, auf, so 1966 das
Grammypreisgekrönte "Goin' Out Of My Head". Sie finden sich auf Alben wie
"The Best Of... Vol. 1 und II", "Bumpin", "California
Dreamin" und "Tequila". 1985 erschien in England die Biographie "Wes
Montgomery" von Adrian Ingram. 1986 veranstaltete seine Heimatstadt Indianapolis
einen Memorial Day für den Gitarristen.