



Auf weltweiten Tourneen von Norman Granz als Art Tatum der
Gitarre" annonciert, repräsentiert Joe Pass gitarristisch in der Tat "eine
feine saubere Technik und grosse Erfindungsgabe" (Ivor Mairants). Ursprünglich von Charlie Christian herkommend, lässt er in technischer Vollendung
mehrere Stilarten zusammen, kombiniert mit gestalterischem Überblick Single-, Akkord- und
Bassspiel, wechselt permanent zwischen Fingerpicking und Plektrum und erhält seiner
Korpusgitarre trotz elektrischer Verstärkung klanglich immer eine akustische Dimension.
"Ich mochte Django Reinhardt und Charlie
Christian, hörte aber hauptsächlich Charlie Parker und Dizzy Gillespie",
erklärt Pass seine frühen Einflüsse, zu denen er neben Tatum auch Bud Powell, Al Haig,
Coleman Hawkins und Lester Young zählt. Vor allem in unzähligen Solo- und Duo-Auftritten
fasziniert der Gitarrist Publikum und Kollegen durch die Vereinbarkeit fast pianistischer
Brillanz mit erfinderischer Tiefe. Kollege John Abercrombie zum Beispiel bewundert seine
grossartige Fähigkeit, sich hinzusetzen und einen Standard-Titel zu spielen, "indem
er einfach time, Impuls und Spannung hält". Technik als Selbstzweck lehnt Pass
leidenschaftlich ab. Es gehe darum, einem Stück eigene Perspektiven abzugewinnen:
"Junge Gitarristen fragen mich: Wer ist der Schnellste? Man würde nie einen
klassischen Musiker so sprechen hören. Sie sagen nicht: Wow, Horowitz spielte letzte
Nacht wirklich schnell." Joe Pass, Sohn eines sizilianischen Stahlarbeiters, wuchs in
Johnstowu, Pennsylvania, auf, hatte vom neunten Lebensjahr an Gitarrenunterricht und
arbeitete mit 14 in lokalen Bands, ab 1942 in New York, New Orleans und Chicago. In
Drogenprobleme verstrickt, war die Folgezeit bis 1960 geprägt durch wechselnde Klinik-
und Gefängnisaufenthalte. Danach unterzog sich der junge Musiker einer dreijährigen
umfassenden Rehabilitation im Synanon Center Santa Monica, wo er auch musizierte und seine
erste LP "Sounds Of Synanon" (1962) konzipierte. Pass, 1963 als New Star aus dem
"Down Beat" Critics' Poll hervorgegangen und seitdem in vielen Polls führend,
war in den sechziger Jahren frei an der Westküste tätig, 1968 bis 1972 als
vielbeschäftigter Studiomusiker in Hollywood, so regelmässig für Gerald Wilson, aber
auch u. a. für Les McCann, Bud Shank, Qare Fischer, Bill Perkins, Chet Baker, Earl
Bostic, Richard Groove Holmes, Carmell Jones, Frank Sinatra, Billy Eckstine, Sarah
Vauglian, Joe Willianis, Carmen McRae und George Shearing, mit dem er 1965 bis 1967 auch
auf Tournee gegangen war. Daneben hatte der Gitarrist immer wieder eigene Trios und
Quartette, spielte eigene Alben ein - darunter "For Django" (1964),
"Simplicity" (1967) und "Intereontinental", mit Eberhard Weber (b) und
Kenny Qare (dr) 1970 in Deutschland aufgenommen - und gastierte bei grossen Festivals. Nun
vor allem von Norman Granz weltweit auf Festivals, in Konzerten und auf zahllosen
Pablo-Platten präsentiert, war Joe Pass nach einer Australien-Tournee mit Benny Goodman
in den achtziger Jahren in verschiedensten Konstellationen zu hören: 1972 bis 1974häufig
im Duo mit dem Kollegen Herb Ellis (LPs "Two For The Road",
"Jazz/Concord" und "Seven Come Eleven"), dann in verschiedenartigen
Besetzungen mit Partnern wie Oscar Peterson (u. a. "Trio" und "If You Could
See Me Now"), Ella Fitzgerald (u. a. "Again"), Toots Thielemans, Duke
Ellington, Count Basie, Zoot Sims, Milt Jackson, Dizzy Gillespie, Jimmy Rowles,
Niels-Henning Orsted-Pedersen (u. a. "Chops", 1978), Tete Montoliu, Barney Kessel, Clark Terry (1981 "Memories Of Duke"), Jay
Jay Johnson (1985 "We'll Be Together Again") und Buddy DeFranco (1985). 1974
begann in London eine Serie umjubelter Solo-Auftritte, die u. a. auf den Alben
"Virtuoso" (1 bis W), "Ira, George And Joe" (1981) und "Live At
The Long Beach City College" (1984) dokumentiert sind. Unter seinen eigenen
Einspielungen ragen ausserdem hervor: "Montreux" 75 und 77,
"Eximions", "I Remember Charlie Parker" (1979) und "Portrajts of
Ellington" (1974). Wie schon in den Jahren zuvor trat der Gitarrist 1984/85 als
Begleiter Ella Fitzgeralds bei zahlreichen internationalen Festivals auf, gefolgt 1986 von
mehreren Solo-Konzerten. Joe Pass unterrichtet in Los Angeles am Musicians' Institute of
Technology.